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Musikpionier Hans Georg Nägeli – auf nach Europa, Singen für Frauen und Kinder, ein Hoch auf Pestalozzi!

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Das Leben des Musikpädagogen und Medienunternehmers Georg Nägelis ist ein Thema, das viele Leute zunehmend interessiert. Mehrmals wurde man jetzt beim Einkaufen oder auf dem Bahnhof in Wetzikon angesprochen, unter anderem auf den Hans-Georg-Nägeli-Abend vom vergangenen Freitag, dem 12. Mai 2023, in der reformierten Kirche. Man habe gar nicht gewusst, dass Nägeli im Ausland so bekannt gewesen sei, ja geradezu ein europagewandter Musikpädagoge und Unternehmer, ein Pionier.

Spannend war für viele Zuschauer auch die Sicht von aussen. Dass ein angesehener Experte aus Deutschland dem Schweizer Publikum an diesem Abend fast ein wenig vorschwärmte, welch eindrücklicher Typ Nägeli gewesen sei und über welch erstklassige Schätze unser Ortsmuseum verfüge, sorgte in Wetzikon für viel Aufmerksamkeit und gute Stimmung.

Es war der dritte Anlass in der fünfteiligen Reihe «Revisiting Hans Georg Nägeli», in welcher der hiesige Historiker Andrea Schmid im Gespräch mit verschiedenen Gästen verschiedene Phasen aus Nägelis Leben und sein Wirken in seiner Zeit beleuchtet.

In den ersten zwei Teilen war beschreiben worden, in welchen Verhältnissen Nägeli aufwuchs, wie damals die Welt aussah und tickte und wie er schliesslich als junger, unternehmungslustiger Typ von Wetzikon nach Zürich aufbrach, um eine Musikalienleihbibliothek und einen Verlag aufzubauen.

Schon da waren Verbindungen nach Paris oder in verschiedene deutsche Städte wichtige Teile seiner Geschäftstätigkeit. Mit der Zeit gewannen pädagogische Werke in seinem Programm an Bedeutung. Diesem Aspekt widmete sich nun eben der dritte Abend vom 12. Mai 2023, der dem Thema «Pädagogik und Gesangsschule» galt.

Und das war voll aus dem Leben gegriffen: Andrea Schmid hatte mit Professor Friedhelm Brusniak, dem wissenschaftlichen Leiter des Forschungszentrums des Deutschen Chorwesens an der Universität Würzburg, einen Gesprächspartner ausgewählt, der spannenden Erzählstoff bot und dem sogleich die Sympathien des Publikums zuflogen, einen Stimmungsmacher.

In ihrer Diskussion ordneten die beiden Nägelis Ideen in einen europäischen Kontext ein. Als innovativ galten vor allem die Frauen- und Kinderchöre, die dafür sorgten, dass erstmals wirklich die ganze Breite der Gesellschaft zum Singen und zu einer aktiven Beschäftigung mit Musik kam.

Auf musikpädagogischer Ebene entsprach dies, so die Beurteilung, den Anliegen des grossen Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi, mit dem Nägeli in Verbindung stand. Zusammen mit dem in Deutschland geborenen und in die Schweiz gezogenen Musikpädagogen Michael Traugott Pfeiffer veröffentlichte Nägeli ein Lehrbuch, das zwar theoretisch sehr abstrakt und aus heutiger Perspektive weitgehend unbrauchbar blieb, jedoch mit Notenmaterial für verschiedene Chorbesetzung mehrere praktische Anhänge hatte, die grossen internationalen Anklang fanden.

Nägeli und Pfeiffer wurden zu Pionieren der Schweizer Chorbewegung zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Ihnen schwebte die Idee einer Volksbildung vor, in der möglichst alle Leute durch die Auseinandersetzung mit Musik und Liedtexten humanistisch gebildet werden.

Zudem sollte das gemeinsame Singen im Chor die Menschen lehren, in einem gesellschaftlichen Rahmen zusammenzuarbeiten und sich als Gemeinschaft zu verstehen. Mit diesen Aspekten der Musik- und Chorpädagogik wirkt Hans Georg Nägeli, so die Einschätzung von Schmid und Brusniak, auch heute sehr modern.


Beat Gygi
 

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