Suche
Close this search box.

Spurensuche in Wetzikon – Kulturdetektivin Claudia Fischer-Karrer übernimmt

hans-georg-naegeli-blog-audiowalk-preisgewinner-01-1600x1120px-hauptbild

Von Zürich nach Wetzikon – für Denise und Pascal Rueff ist das nicht der alltägliche Weg, wobei sie genauer gesagt in Oerlikon wohnen. Eigentlich sind sie an diesem Freitag, dem 16. Juni 2023, zum ersten Mal so richtig in Wetzikon, nachdem sie vorher den Ort ab und zu durchfahren hatten, wie Pascal Rueff sagt. «Wir sind positiv überrascht von all dem was, wir hier gesehen haben», richtig interessant sei der kulturelle Reichtum, vor allem auch die geschichtlichen Hinweise sowie die heute sichtbaren Spuren im Zusammenhang mit dem Leben von Hans Georg Nägeli.

Zürich-Wetzikon – wie ist es zu dieser Reise gekommen? Denise und Pascal Rueff haben bei einer Leserausschreibung im Zürcher Oberländer Tickets für eine Live-Führung durch den Audiowalk «250 Jahre Hans Georg Nägeli» gewonnen. Das heisst: Claudia Fischer-Karrer, Historikerin in Wetzikon, Inhaberin der Firma Kulturdetektive und Urheberin des Audiowalk, führt die Gäste nun persönlich durch den Parcours im Wetziker Zentrum. Also persönliches Gespräch mit der Autorin statt Audio-Konserve – fast wie eine Dichterlesung.

Der Rundgang mit Claudia Fischer-Karrer beginnt bei der reformierten Kirche; vis à vis ist das Haus, in dem Nägeli als viertes Kind von Pfarrer Hans Jacob und Emerantiana Nägeli-Wirz 1773 geboren wurde. Hans Georg Nägelis Vater war seinerzeit aus Zürich in die reformierte Pfarrei aufs Land gezogen und hatte da dem Bildungsbürgertum den Boden bereitet. Claudia erklärt, wie Nägeli in einem Milieu aufwuchs, in dem viel musiziert, gesungen und gelesen wurde, und wie der junge Nägeli sich auch in die Dorfjugend einbrachte.

Was sieht man heute noch davon? Einiges. Unterwegs zeigt Claudia jeweils auf jene markanten Häuser, die bereits auf einer Karte von 1772 eingezeichnet waren und das damalige Dorfbild geprägt hatten. Etwa das Schloss. Und im Ortsmuseum gäbe es natürlich viel Weiteres zu sehen und zu hören.

Nun aber Wetzikon-Zürich: Diese Reise betrifft Nägeli, er wurde als Dreizehnjähriger nach Zürich in die Lateinschule geschickt. Hart. Claudia zückt eine Landkarte und veranschaulicht den beschwerlichen Weg im Jahr 1786. Kein Gedanke an Bahn oder Auto, nur mühsam zu Fuss, vielleicht mal per Boot oder Fuhrwerk. Zuerst scheiterte Nägeli daran, dann gelang ihm aber doch der grosse Aufbruch nach Zürich und schliesslich nach Europa – zu einen Berühmtheitsgrad, der auch in Wetzikon noch sichtbar ist.

Denn gleich nach dem Start der Führung bei der reformierten Kirche steht man vor der Büste Hans Georg Nägelis – von der eine genau gleiche Ausführung auch in Zürich steht, und zwar als erste öffentliche Statue überhaupt, die nach der Geburt des neuen Bundesstaats von 1848 errichtet wurde. Nägeli, gewürdigt als Pionier, der liberales Gedankengut mit Singen verband und verbreitete.

Weiter auf Claudias Tour: Im Gehen erfährt man viel über die damalige Gliederung der Dorfschaften, politischen Einheiten, Gerichtsbarkeiten, über Landwirtschaft, Eigenversorgung, industrielle Arbeit, Schulen, Schulfächer, Singen, Singvereine, Gesangsfeste, über die wichtiger werdende Rolle der Frauen – und plötzlich steht man auf dem Hügel des Schulhauses Guldisloo, direkt an der Hans Georg Nägelistrasse.

Beim Schulhaus steht ebenfalls eine Büste Nägelis, nicht von ungefähr: Es ist ein Ort mit weitem Blick in die Landschaft, der ihn inspiriert hatte, unter anderem zum Lied «Goldne Abendsonne, wie bist du so schön», das Claudia an Ort und Stelle vom Handy ertönen lässt. In Nägeli-Stimmung geht es weiter, vorbei an einem anderen historischen Monument: einem Mammutbaum, den seinerzeit der Zürcher Industrielle und Politiker Alfred Escher per Schiff von Amerika in die Schweiz transportieren liess, dicke Rinden aus alter Zeit.

Nach dem Rundgang geht es in der Kirche Wetzikon für Denise und Pascal Rueff weiter mit Nägeli. Sie gedenken das Chorspektaktel «Der Hans, der Georg und der Nägeli» zu verfolgen, mit dem Dirigent Roger Widmer am Freitag-, Samstag- und Sonntagabend dem Publikum vor Augen führen wird, welch ein ausserordentlicher, vielfältiger, origineller Typ Nägeli gewesen ist.

Show, Licht, Singen, Musik – freuen sich Rueffs darauf? Ja, meint Pascal, und dann ist er es, der den absolut genialen Bogen zwischen Nägeli und der Gegenwart spannt: Er habe bei einem anderen Wettbewerb ebenfalls einen Eintritt gewonnen, der ihn sehr freue, er könne am nächsten Tag ans Konzert von «Rammstein».

Beat Gygi

Beitrag teilen