Bereits bei «Revisiting Hans Georg Nägeli – Musikgesellschaft und Sing-Institut» Anfang Juni 2023 mit Prof. Dr. Antonio Baldassarre von der Hochschule Luzern waren die Frauenchöre ein wichtiges Thema gewesen. Darf man Nägeli tatsächlich einen «Frauenversteher» nennen?
Aber der Reihe nach. Im ersten Teil der letzten Veranstaltung «Nachlass und Erbe» gab Dr. Eva Hanke, Musikwissenschaftlerin und Bibliothekarin einen Überblick zum Nachlass von Hans Georg Nägeli in der Zentralbibliothek Zürich. Die etwa fünf Laufmeter Archivschachteln beinhalten rund 3’000 Nägeli-Briefe, handgeschriebene Musiknoten, Drucke und Geschäftsakten. Etwa die Hälfte des Platzes nehmen Noten ein, meistens sind es Lieder, aber es finden sich auch einige Orchester- und Klavierwerke und noch etwas Harfenmusik.
Der Nachlass ist zwar erfasst, aber längst nicht vollständig aufbereitet. Aktuell ist die Zentralbibliothek Zürich im Rahmen eines Citizen Science-Projekts dabei, Nägelis Briefe zu transkribieren, was eine überaus anspruchsvolle Angelegenheit ist. Jede Unterstützung durch ehrenamtliche Helfer ist willkommen!
«Hat sich der Aufwand gelohnt?»
Im zweiten Teil des Abends kamen alle bisherigen Gäste von Andrea Schmid nochmals zusammen, um ein übergeordnetes Fazit zu ziehen – sogar Prof. Dr. Friedhelm Brusniak wurde live aus Dortmund zugeschaltet.
Die Gesamteinschätzung war einhellig: Ja, es hat sich mehr als nur gelohnt, über diesen Hans Georg Nägeli zu sprechen und dessen Wirken in den unterschiedlichsten Bereichen nachzuzeichnen und einzuordnen. Das gilt insbesondere für den Frauengesang. Im Fall seines Sing-Instituts wird in der Sekundärliteratur zwar übereinstimmend angenommen, Nägeli habe 1805 einen «gemischten» Chor gegründet. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass es sich um einen reinen Frauenchor gehandelt habe.
Ob man ihn aber tatsächlich einen «Frauenversteher» nennen darf, lässt sich allerdings nur schwer nachweisen. Die Sachlage ist nicht zuletzt deswegen so kompliziert, weil damals nur Männer einen Verein mit Statuten und Jahresberichten gründen durften. Frauen war dies untersagt. Wenn sie sich musikalisch betätigten wollten, dann als Begleiterin auf dem Klavier – just so wie Els Biesemans, die den Bariton Samuel Zünd auf dem Hammerklavier begleitete, der die schönsten Lieder von Hans Georg Nägeli vortrug.
Wie auch immer: Die fünfteilige Veranstaltungsreihe «Revisiting Hans Georg Nägeli» hat viel dazu beigetragen, diese grosse Persönlichkeit einer breiteren Öffentlichkeit näherzubringen. Und, so fügte Beat Meier, Präsident des Vereins HGN250, in seinem Schlusswort an: «Wir haben wunderbare Musik gehört, es wurde gesungen und auf Instrumenten gespielt. Genauso wie sich das Nägeli immer gewünscht hat!»
Nachtrag: Alle fünf Veranstaltungen von «Revisiting Hans Georg Nägeli» wurden aufgezeichnet und sind jetzt auch auf YouTube greifbar. Viel Vergnügen!